Flightnotes – Barcelona ole, oder auf Mission zu
Gallina Espanola – Hühnerrettung in Spanien 15.2.15 – 18.2.15
Wenn es so ist, dass man als Mensch Kenntnis von
Unrecht oder Misstand erhält, gibt es verschiedene Möglichkeiten, damit
umzugehen.
Man kann wegsehen.
Man kann urteilen.
Man kann handeln.
Häufig
verwenden wir viel Energie dafür, uns oder anderen zu erklären, wie man
„besser“ handeln kann.
Oder waum man „nicht handeln“ kann.
Irgendwann stolpern wir dann über unsere sorgsam
zurechtgelegte eigene Wirklichkeit und stoßen uns ganz mächtig....
Darauf habe ich relativ wenig Lust und deswegen habe
ich, nachdem ich mich mehrmals dabei ertappt hatte, wie ich die Modalverben
„sollte“, „könnte“ und „müsste“ verwendet habe, Ende Dezember festgelegt, zu machen.
Und wenn ein bißchen gutes Karma dabei
rausspringt, solls mir recht sein!
Caroline W., eine (Süd-)Deutsche, die vor mehr als 25
Jahren ausgezogen war, in Spanien Ihr Glück zu machen, hatte sich letzten
Sommer im HüFo, dem www.huehner-info.de – Forum, angemeldet, um nach Hilfe beim
Stallbau zu fragen. Sie hatte Hennen,
schlimm – unvorstellbar schlimm – misshandelte und geschundene Hennen bei einem
Bauern aufgesammelt, die sie, damals noch ohne Ahnung vom Hühnerhalten zu haben,
aufpäppeln und pflegen wollte. Dem Leid ein Ende bereiten. Machen – nicht
zusehen. Verantwortung übernehmen.
Allein.
Das klappte zunächst angesichts der
Hinterlassenschaften und der Bedürfnisse der Hühner nur bedingt und wurde
letztlich, nachdem Caroline die Hennen mit Wärmelampen und den Katzen zusammen auf deren Matzratze auf ihrer Terrasse beherbergt hatte, dank
einer Spende der Hü-Fo Mitglieder umgelenkt: Caroline schaffte es, im
Alleingang mittels der Spenden einen Holzstall zu bauen.
Das ist nicht so einfach, denn Caroline wohnt am Hang
eines Bergdorfes im nördlichen Spanien mit einer wunderschönen Aussicht –
leider zur Nordseite. Das heißt im Klartext: im Winter ist es sehr kalt. Und der Hang ist ein echter Hang
– zwar terrassiert, aber sehr, sehr steil. Da ein Holzhaus als Stall zu
errichten, erfordert Kraft und Geschick. Geschick hat Caroline, ganz klar. Die
Kraft geht ihr aber manchmal krankheitsbedingt aus.
Ein weiterer Nachteil der Lage ist, dass sie es weit
hat, um beispielsweise einkaufen zu gehen, dass es beschwerlich ist, zu ihr zu
kommen und dass es relativ weit zu den nächsten Menschenansammlungen (Markt,
Straßenplaudereien etc.) ist. Nachbarn
hat sie, aber der eine scheint nicht wirklich erfreut über die Tiere und droht damit, auch mal seine Schrotflinte zu bemühen, wenn die Katzen auf seinen Grund kommen sollten. M. und ich haben
sowas wie die Geborgenheit eines sozialen Netzes nicht wahrgenommen – das
Netz sind irgendwie wir. Das HüFo. Das Glück, was sie empfindet, weil es völlig
unerwartet war, dass da andere sind, die an sie denken. Ich glaube, DAS ist
wertvoller als alle Gaben, wobei das Geld ihr natürlich ermöglicht, überhaupt
zu leben, für die Tiere da zu sein.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjR-2S_39fHY-eTzChQ6E9oi_hW7OTh8kvnbcDZfqxR9q5SCJD5CmUQEUOHyFo9Y554riNS8blE_SdfhDDBcp2CI2_v6eC8l-K0ODat0vWOpJFeDYcyDAQ9SB-fJOs97sfTHJ3zGy1Dajo/s1600/IMG_2745.JPG)
Also fuhr ich zu Caroline - mit einem Stapel an Geschenken im Gepäck, einer guten Seele namens M. und einer zweiten guten Seele (ja, das habe ich so gesagt und meine es so ;-)) namens Gangwald anbei oder im Auto vor mir. Letzterer richtetet Caroline einen ausrangierten Laptop einer HüForianerin ein, damit sie bald in Bezug auf ihren eigentlichen Job etwas flexibler ist. Doch dazu später mehr....
...... tja, und was dann da war, das brachte mein Herz doch ganz schön in Bewegung.
Ich denke, man kann den Eindruck so zusammenfassen:
Caroline lebt unter Bedingungen mit den Tieren, die sich keiner vorstellen
kann, der nicht schon mal in einem südeuropäischen Land gelebt hat und dort
keinen Luxus hatte. Wer die Erfahrung schon gemacht hat, darf von dem ohnehin
nicht vorhandenen Komfort nochmals die Hälfte abziehen und nähert sich dann dem
an, was Carolines Alltag ausmacht: Wasser wird zweimal verwendet, kaputte Glühbirnen bleiben lange dunkel, Gas ist aus –
weil zu teuer, der Kühlschrank riecht, weil er hauptsächlich geschenkten Fisch
für die Katzen enthält, damit die artgerecht ernährt werden können – und wo ich persönlich jetzt sagen würde:
DA ist eine Grenze erreicht, holt sie eben dennoch noch das für die Hühner,
Hündin Bobby und die Katzen raus, was geht und verzichtet selbst auf ALLES, was
uns selbstverständlich ist.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgt6B4PUU85WgNUfFJpM8cJ5c8DHnwYtgVtqGnTwDuXEopMHniLP1LaqqI5HbyuMsFFe2R-ZSes_1z3wOYq_lufwgR3Rdu8s6EHql4rok34qyjXbQFPe3kvzVNyuRjNYpeTW8uyJJG79D0/s1600/DSC_0345.JPG)
Sie nimmt die Inkontinenz der Katzen inkauf, was
man riecht, arbeitet sofort aber allem hinterher, putzt, pflegt, lässt nichts
verkommen, was noch haltbar ist – sie schuftet durch. Der Hühnerstall
verbraucht Kraft, weil sie Holzeinstreu bei Sägewerken organisiert.
Holzeinstreu bringt verstärkt die Notwendigkeit zur Parasitenprohylaxe mit
sich, aber Kieselgur kann sie nicht kaufen; sie hatte sich überlegt, als
Zwischenhändlerin für Kieselgur aufzutreten, ihr fehlt aber die Lagerfläche für
eine ganze Tonne, die sie abnehmen müsste.
Sand statt der Holzspäne ist für sie körerlich nicht zu organisieren - auch wenn er, was Ektoparasiten angeht, weniger Angriffsfläche böte. Also hilft wieder nur: schuften...
An mancher Stelle wäre ich pragmatischer. Würde den
Hühnern wieder das nehmen, was sie geben – die Eier, auch das Fleisch, dasselbe
für die Hähne... ich würde sie schlachten, um den geschundenen Hennen mehr
Regeneration zu ermöglichen. Ich würde, wenn ich ohnehin knapp bei Kasse wäre,
keine „unnützen“ Esser durchfüttern, wenn ich wüsste, dass wohl mehr todkranke
Hennen nachkommen.
Ich würde die Kraft nicht „nur“ für die Tiere nutzen,
sondern versuchen, mir ganz systematisch eine Existenz aufzubauen. Was ich tun
würde, wäre aber meine Sache.....
Aber Caroline lebt allein – und ich glaube, manchmal
eben in ihrer eigenen Welt. Sonst würde sie das so nicht stemmen.
Dafür hält sie mit aller Kraft alles in Schuss – aber
sie findet (das ist meine ganz eigene, subjektive Beurteilung) wenig Raum für
sich.
Ich wünsche ihr, dass sich das ändert, dass sie sich
selbst auch als ein Wesen sieht, das es verdient, „gepflegt und umsorgt“ zu
werden; denn die Tiere, die sie bei sich hat, erfahren diese sehr große Liebe. Und das spürt man rundum. Kein Streit zwischen Hund und Katze, zwischen Hund und Huhn, Katze und Huhn oder artintern. Friede liegt da über dem kleinen Hang....
Doch das Leben am Nordhang ist, wie gesagt, schwer. Ursächlich für die Misere ist nicht sie – mehr möchte
ich dazu aber nicht sagen, weil ich finde, dass das ihre Privatsphäre sein
sollte. Meine eigene Vorstellung von „Leben“ übersteigt das, was sie leistet –
ich sehe es nicht ohne Skepsis, das weiß sie, aber andererseits denke ich, es
steht mir nicht zu, über sie zu urteilen. In anderen Worten: wenn ich helfen
will, helfe ich so, wie sie es braucht – wenn ich ihr etwas gebe, dann ist SIE
diejenige, die entscheiden muss, ob es hilft, ob sie es nutzt – oder nicht.
Was sie jetzt (meiner Beobachtung nach) noch brauchen kann, ist – neben
jedem Cent: Knochenquetsche, Solarlicht für Notfälle, Febreze, vier aufhängbare
Futterspender – dann fliegt nicht so viel Hühnerfutter auf den Boden. Und eine
Solardusche finde ich auch eine gute Idee.
Aber das bin eben wieder... ich. Und ich bin nicht Caroline.
Wenn es so ist, dass man als Mensch Kenntnis von
Unrecht oder Misstand erhält, gibt es verschiedene Möglichkeiten, damit
umzugehen.
Caroline hat hingesehen.
Caroline verurteilt nicht, sie urteilt und handelt.
Sie verwendet ihre Energie für die Tiere - und der Traum wäre, wenn es jetzt für sie als Spanisch-Deutsch-Übersetzerin irgendwo auf dieser Welt noch einen Job gäbe, den sie von zuhause aus machen kann.
Oder wenn jemand ihre Geschichten kaufen und publizieren würde.....
Und wenn sich irgendwer jetzt angesprochen fühlt, zu handeln....
..... stellle ich sehr gerne den Kontakt her!